Ist nur rollstuhlgerecht barrierefrei?

Barrierefrei ist mehr als nur Rollstuhlgerecht

 

Was ist Barrierefreiheit?

Gibt man bei Google das Wort "barrierefrei" ein, so findet man viele Definitionen, Erklärungen, aber auch Artikel und Bücher zu diesem Thema. DUDEN definiert das Wort wie folgt:

 

1. "(von Bauten, Verkehrsmitteln, sonstigen Einrichtungen) keine Barrieren, Hindernisse o.Ä. aufweisend und demzufolge auch von Menschen mit Behinderung ohne Erschwernis oder fremde Hilfe nutzbar
2. (von Internetseiten) so gestaltet, dass es auch von Menschen mit Behinderung ohne Erschwernis oder fremde HIlfe genutzt werden kann (z.B. durch Veränderbarkeit der Schriftgröße)"

Quelle: http://www.duden.de/rechtschreibung/barrierefrei#Bedeutung1, Stand April 2014

 

Von Barrierefreiheit spricht man also, wenn die Umwelt so gestaltet ist, dass sie von Menschen mit Behinderung in gleicher Weise genutzt werden kann wie von Menschen ohne Behinderung. Im weiteren Sinne ist Barrierefreiheit aber auch für ältere Menschen und Personen mit Kleinkindern von Bedeutung. Gerade durch den demographischen Wandel werden in Deutschland die Menschen immer älter und sind dadurch immer mehr auf fremde Hilfe angewisen. Nach Prognosen des statistischen Bundesamtes wird sich in Deutschland die Zahl der 80-Jährigen und Älteren bis zum Jahr 2050 verdreifachen (von heute ca. 4 Mio. auf 10 Mio.).

 

Verwendet man den Begriff "barrierfrei", so denken die meisten Menschen als erstes an Rollstuhlfahrer. Diese benötigen Rampen oder Aufzüge um Hindernisse zu bewältigen. Aber auch breitere Türen sind notwendig, sodass ein Rollstuhlfahrer ungehindert hindurch kommt. Allerdings ist der Begriff "Barrierefreiheit" vielfältiger. Auch Blinde und Sehbehinderte gehören zu der Gruppe der "Behinderten". Das heißt, der Begriff bezieht sich auf Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen und somit auch auf verschiedene Lebensbereiche. Gebäude und öffentliche Orte, Dienstleistungen aber auch Freizeitangebote sollen für alle Menschen zugänglich sein. Sie sollen also barrierefrei sein, sodass sie auch Menschen mit Behinderung möglichst ohne fremde Hilfe und Erschwernis betreten und benutzen können.

 

Im Blick auf die alternde Gesellschaft, aber auch auf Eltern mit Kindern ist Barrierefreiheit nicht nur eine Erleichterung für Menschen mit Behinderung. Ein Aufzug zum Beispiel bietet Eltern mit einem Kinderwagen, aber auch Senioren einen Vorteil. Oder Texte in einfacher Sprache mit visueller Darstellung: Sie helfen behinderten Menschen, aber auch Menschen, die kaum lesen bzw. Deutsch sprechen können oder sich an einem Ort noch nicht auskennen.

 

Das Wichtigste am ganzen Prinzip der Barrierefreiheit ist jedoch, dass behinderte Menschen dadruch wieder selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

 

Die Bedeutsamkeit der Barrierefreiheit wird auch in unterschiedlichen Gesetzen und der UN-Behindertenkonvention deutlich, die hier unter Grundlagen/Gesetze nachgelesen werden können.

 

Nicht nur Rollstuhlgerecht

 

Bei dem Begriff "Barrierefreiheit" denken viele zuerst an Rollstuhlfahrer, also rollstuhlgerecht. Allerdings ist der Begriff vielfältiger und bezieht sich auf Menschen mit verschiedenen Behinderungen. Doch was sind Behinderungen? Der Begriff "Behinderung" ist sehr komplex und es gibt viele Definitionsmöglichkeiten. Zu unterscheiden ist als erstes, ob die Behinderung angeboren oder im Laufe des Lebens z.B. durch einen Unfall verursacht wurde. Grob lässt sich der Begriff "Behinderung" dann weiter aufteilen in geistige oder körperliche Behinderung. Jedoch gibt es auch differenziertere Einteilungen, z.B.:

 

  • Geistige Behinderung
  • Körperbehinderung
  • Lernbehinderung
  • Mehrfachbehinderung
  • Hörschädigung (Gehörlosigkeit, Schwerhörigkeit)
  • Sehschädigung (Blindheit, Sehbehinderung)
  • Sprachbehinderung
  • Verhaltensstörung
  • ...

Entnommen: http://behinderung.org/definit.htm, Stand April 2014

 

Spätestens jetzt wird deutlich, dass der Begriff "Behinderung" extrem vielfältig ist und sich nicht nur auf Menschen bezieht, die im Rollstuhl sitzen, sondern auf Menschen mit verschiedensten Behinderungen und somit auch auf unterschiedliche Lebensbereiche.

 

Gerade die Gruppe der Blinden und Sehbehinderten wird oft vernachlässigt, obwohl gerade diese auf Hilfe angewiesen sind. Ihnen fällt es vor allem in öffentlichen bzw. unbekannten Einrichtungen schwer, sich zu orientieren und zurechtzufinden. Bei Blinden entscheidet vor allem die taktile und akustische Wahrnehmung über Barrierefreiheit. Bei Sehbehinderten hingegen spielen Beleuchtung, Farbgebung und vor allem Kontraste eine wichtige Rolle.

 

Unter anderem besteht die Möglichkeit, taktile Bodenindikatoren einzubauen. Sie dienen der besseren Orientierung für Blinde bzw. Sehbehinderte. Aber auch taktile Stadtmodelle oder Lagepläne sind eine große Erleichterung für Blinde und Sehbehinderte. Weitere Informationen zu diesen Produkten finden Sie hier auf unsere Seite unter dem Punkt "Produkte".

 

Wichtig ist also, dass der Begriff "Barrierefreiheit" sich nicht nur auf Rollstuhlfahrer bezieht. Barrierefreiheit bedeutet, dass Menschen mit Behinderung (egal welcher) möglichst ohne fremde Hilfe und Erschwernis öffentliche Orte, Dienstleistungen, Freizeitangebote usw. betreten und benutzen können.

 

DIN 18040 und Bedeutung

 

DIN 18040 - Norm Barrierefreies Bauen

 

Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art.3) steht: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Deshalb ist es besonders wichtig, dass Menschen mit Behinderungen den gleichen Zugang zu öffentlichen Anlagen und Einrichtungen haben, wie Nichtbehinderte. Die Norm stellt dar, unter welchen technischen Voraussetzungen Gebäude und bauliche Anlagen barrierefrei sind. Die Planung, Ausführung und Ausstattung gelten für:

 

  • Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden und im Freien, einschließlich Schulen,  Wohnhäusern, medizinischen Einrichtungen und Arbeitsstätten;
  • Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste

 

Ziel dieser Norm ist die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -Barrieren. Somit wird eine Barrierefreiheit von baulichen Anlagen geschaffen, damit diese für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind (nach §4 BGG Behindertengleichstellungsgesetz).

 

Die Norm berücksichtigt vor allem die Bedürfnisse von Menschen mit Sehbehinderung, Blindheit oder Hörbehinderung, motorischen Einschränkungen und derjenigen, die Mobilitätshilfen und Rollstühle benutzen. Aber nicht nur Menschen mit Behinderungen profitieren aus diesen Nutzungserleichterungen, auch ältere Menschen und Eltern mit Kleinkindern wird der Alltag durch diese Maßnahmen erleichtert.

 

Überblick

 

  • DIN 18040-1 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1:
    Öffentlich zugängliche Gebäude
    (Ausgabe: 2010-10)
  • DIN 18040-2 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 2:
    Wohnungen
    (Ausgabe: 2011-09)
  • DIN 18040-3:2013-05 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3:
    Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum
    (Entwurf)

 

Details

 

Teil 1

 

DIN 18040-1 (ersetzt DIN 18024-2:1996-11)
Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude - Ausgabe 2010-10

 

zu den öffentlich zugänglichen Gebäuden gehören in Anlehnung an die Musterbauordnung (§50 Abs. 2 MBO):

1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,
2. Sport- und Freizeitstätten,
3. Einrichtungen des Gesundheitswesens,
4. Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,
5. Verkaufs- und Gaststätten,
6. Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen.

 

Teil 2

 

DIN 18040-2 (ersetzt DIN 18025-1 und 2)
Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 2: Wohnungen
Ausgabe 2011-09

 

  • gilt für die barrierefreie Planung, Ausführung und Ausstattung von Wohnungen, Gebäuden mit Wohnungen und deren   Außenanlagen, die der Erschließung und wohnbezogenen Nutzung dienen
  • Anforderungen an die Infrastruktur der Gebäude mit Wohnungen berücksichtigen grundsätzlich auch die  uneingeschränkte Nutzung mit dem Rollstuhl
  • Unterscheidung innerhalb der Wohnungen: 1. Barrierefrei nutzbare Wohnungen und 2. barrierefrei und uneingeschränkt  mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen

 

Teil 3 

 

E DIN 18040-3: 2013-05 (ersetzt v.a. DIN 18024-1:1998-01)
Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum
(Norm wird im August/September 2014 erwartet)

Die Norm beinhaltet:

 

  • Grundregeln wie Maße für benötigte Verkehrsräume mobilitätsbehinderter Menschen, Grundanforderungen zur  Information und Orientierung (z.B. Zwei-Sinne-Prinzip), Anfoderungen an Oberflächen, Mobiliar im Außenraum oder Wegeketten
  • Regelungen zu Fußgängerverkehrsanlagen, Anlagen des ruhenden Verkehrs, des öffentlichen Verkehrs, Spielplätzen, Freizeitflächen und Freiflächen, Grünanlagen sowie Anlagen zur Überwindung von Höhenunterschieden wie Treppen und Rampen

 

Ergänzend: DIN 18024-1

 

DIN 18024-1 Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze (Ausgabe 1998-01)

Geltungsbereich:
Für Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrsanlagen und öffentliche Grünanlagen sowie deren Zugänge. Nutzer müssen in die Lage versetzt werden, von fremder Hilfe weitgehend unabhängig zu sein.

Das gilt insbesondere für:

 

  • Rollstuhlbenutzer (auch mit Oberkörperbehinderung)
  • Blinde, Sehbehinderte
  • Gehörlose, Hörgeschädigte
  • Gehbehinderte
  • Menschen mit sonstigen Behinderungen
  • Ältere Menschen
  • Kinder, klein- und großwüchsige Menschen

 

Quelle: http://www.din18040.de/ Stand April 2014,http://nullbarriere.de/ Stand April 2014

 

DIN 32984 und Bedeutung

DIN 32984: 2011-10 Bodenindikatoren im öffentlichen Raum

 

Inhaltsverzeichnis:

1. Anwendungsbereich
2. Normative Verweisungen
3. Begriffe
4. Anforderungen an Bodenindikatoren und angrenzenden Bodenbelag
5. Bodenindikatoren und Leitelemente im Verkehrsraum
6. Orientierung in Gebäuden

Diese Norm betrifft vor allem Blinde und Sehbehinderte. Sie legt Anforderungen an Bodenindikatoren und sonstige Leitelemente fest, damit die Sicherheit und Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen im öffentlichen Raum verbessert wird. Die Norm beinhaltet u.a.:

 

  • Festlegung der Anwendungsbereiche (z.B. öffentliche Einrichtungen, Gebäude oder Verkehrsanlagen; Bereiche die für die Nutzung durch die Öffentlichkeit zugänglich sind)
  • Festlegung der Form und Maße der Profile bzw. der erforderlichen Leuchtdichtekontraste der Bodenindikatoren
  • Aussagen zu Anforderungen an die taktile und visuelle Erkennbarkeit
  • Bestimmung der Anordnung von Bodenindikatoren
  • Beschreibung der Nutzbarkeit sonstiger Leitelemente für Blinde und Sehbehinderte (in öffentlich zugänglichen Einrichtungen)
  • Schaffung einer Einheitlichkeit durch Aufzeigen typischer Grundsituationen mit Standardlösungen

 

Die Norm gilt für Neubauten und sollte sinngemäß für die Planung von Umbauten oder Modernisierungen angewendet werden. Bodenindikatoren werden v.a. dort eingebaut, wo keine andere Markierung von Gehbahnen und Gehflächen durch sonstige taktil und visuell erkennbare Leitelemente oder Leitlinien gegeben ist.
Die Maße sind Fertigmaße. Abweichungen können nur toleriert werden, wenn die in der Norm bezweckte Funktion erreicht wird.
Sie ist nicht gesetztlich verbindlich, da es sich nur um eine eingeführte technische Baubestimmung handelt. Im Zweifelsfall wird sie aber gutachterlich hinzugezogen, weshalb ihre Anwendung ratsam ist.

 

Zu beachten ist das Veröffentlichungsdatum, denn die DIN 32984 wurde bereits im Mai 2000 herausgegeben, überarbeitet und im Oktober 2011 neu veröffentlicht. Im Gegensatz zur alten Norm (insgesamt 10 Seiten) wurden die Kapitel "Orientierung in Gebäuden" (4 Seiten) sowie vor allem "Bodenindikatoren und Leitelemente im Verkehrsraum" (43 Seiten) enorm ausgeweitet.

Weitere Änderungen gegenüber DIN 32984-05:

 

  • Änderung des Titels von "Bodenindikatoren im Öffentlichen Verkehrsraum" in "Bodenindikatoren im öffentlichen Raum"
  • Bodenprofile wurden geändert: Noppenprofile wurden als Aufmerksamkeitsstruktur ergänzt
  • Abschnitt 5 wurde überarbeitet
  • Abschnitt 5.3 "Anzeige von Querungsstellen" wurde ergänzt
  • Abschnitt 5.9 "Sonstige Leitelemente" wurde ergänzt
  • Abschnitt 6 "Orientierung in Gebäuden" wurde ergänzt
  • Redaktionelle Überarbeitung von Normativen Verweisungen und des gesamten Dokuments
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